Iris B. Sailer

Der Begriff Trauerjahr kommt aus dem Römischen Recht.
Er bezeichnete die Zeit, in der eine Witwe nicht heiraten durfte.
Das waren zur damaligen Zeit 10 Monate.
Der Wittwer durfte hingegen sofort wieder heiraten.
Ausnahmen waren möglich, wenn die Witwe nachweisen konnte, dass sie nicht vom verstorbenen Ehemann schwanger war.
Auch im Deutschen Gesetzbuch war dies bis 1946 geregelt.

Mit ihren strengen konventionellen Regeln übernahm die Gesellschaft das Trauerjahr in den Moral Kodex. Konnte das Trauerjahr durch das Gesetz weitgehend außer Kraft gesetzt werden, so wurde es doch von der Gesellschaft nahezu in Stein gemeißelt. Hauptsächlich von Frauen wurde erwartet, dass sie sich für ein Jahr schwarz kleideten und sich wie es sich für Trauernde gehört verhalten. Also keine öffentlichen Veranstaltungen besuchen, sich ruhig und zurückgezogen verhalten, ernst sein und nicht zur Arbeit gehen. Egal ob das für die Trauernde förderlich, also ihren Bedürfnissen oder Emotionen entsprach. Dies führte eher zu Isolation und Vereinsamung und nach einem Jahr sollte die Frau wieder ganz normal in den Alltag zurückkehren.

Auch für Männer galt das Trauerjahr, wenn auch nicht so streng. Sie trugen nach den Trauerfeierlichkeiten wieder normale Alltagskleidung und gingen selbstverständlich auch wieder zur Arbeit. Äußerlich zeigten sie die Trauer durch das Tragen eines Trauerflors am Arm. Auch wurde ihr Verhalten nicht so streng bewertet wie das von trauernden Frauen.

Wie gehen wir heute mit dem Trauerjahr um?

Heute wissen wir, dass die Trauer ihre Zeit braucht, aber jeder individuell damit umgehen muss. Es gibt nicht das eine richtige Trauern. Jeder Mensch erlebt den Verlust eines lieben Menschen anders. Tatsache ist, dass trauernde Menschen eine sehr dünne Haut haben und Schutz brauchen. Oft können sie im Berufsleben keine 100% leisten, da Trauerarbeit selbst viel Energie kostet. Wichtig und gut ist es jedoch, wenn der Trauernde bald wieder in den Arbeitsalltag eingegliedert wird, denn er gibt ihm Halt und Struktur, die einem Trauernden oft über lange Strecken verloren gehen.

Wenn Trauernde zur Arbeit oder zur Schule gehen, können sie sich zumindest stundenweise von der Trauer distanzieren. Das fördert das Kontroll- und Sicherheitsgefühl und der Trauernde kann so auch leichter seine sozialen Kontakte aufrechterhalten.

Auf der anderen Seite ist die Trauer eine Auseinandersetzung mit dem Verlust und muss auch seine Zeit und seinen Ausdruck finden dürfen.

Manche Trauernde brauchen, nach schweren Schicksalsschlägen, auch einige Tage Auszeit von der Arbeit oder Schule. Wichtig ist es aber nach spätestens drei Wochen wieder allmählich in den Alltag zurückzukehren, um wieder Struktur im Arbeitsalltag oder der Schule erfahren zu können.

Das heißt jedoch nicht, dass nach dieser Zeit die Trauer weg ist, oder man darüber hinweg ist, auch nicht, dass man wieder vollständig fit und belastbar ist. Hier sind Arbeitgeber und Kollegen gefragt, die mit Verständnis und vor allem Achtsamkeit dem Trauernden begegnen. Es gibt auch immer mehr Firmen, die für ihre Mitarbeiter erfahrene Trauerbegleiter engagieren, damit diese schneller wieder in einem relativ normalen Arbeitszyklus laufen können. Diese Investition eines Arbeitgebers zahlt sich um ein Vielfaches aus, denn Kranken- und Fehltage werden so reduziert.

Was passiert, wenn das Trauerjahr um ist?

Der Trauerprozess ist nach dem ersten Jahr in den wenigsten Fällen abgeschlossen. Der Trauernde hat in diesem ersten Jahr die sensiblen Tage und Feste zum ersten Mal gemeistert und auch die vier Jahreszeiten mit ihrem Zyklus durchlebt.

Im zweiten Jahr nach dem Todesfall kann ein Trauernder auf die bereits gemachten Erfahrungen im ersten Trauerjahr zurückgreifen. Er hat Strategien entwickelt, die dem Alltag Struktur geben. Die aber auch nochmals überdacht und eventuell verändert werden müssen.

Nach einem Jahr ist die Trauer nicht vorbei. Sie verändert sich und der Trauernde weiß, wie er mit bestimmten Tagen und Situationen umgehen kann. Für mache Menschen beginnt dann erst die wirkliche Trauerarbeit, weil sie das erste Trauerjahr wie in Watte gepackt erlebt haben.

Was kann helfen, im und nach dem Trauerjahr?

Wichtig ist immer, es gibt erfahrene Trauerbegleiter, wie ich einer bin, der Dir zur Seite steht. Auch ich selbst habe die Hilfe von Kollegen angenommen, als unsere Tochter starb, um schnell wieder in meinem Beruf agieren zu können. Es ist kein Zeichen von Schwäche, wenn man das Gespräch sucht, sondern es zeigt, dass man sich selbst wichtig ist und offen ist für andere Perspektiven, um mit der Trauer umgehen zu können.

Deine Iris B.

Über die Autorin

Ich bin unter anderem ausgebildeter Raindrop Practitioner, MindFlow Expert und Trainer, Stressmanagementtrainerin, Coach, Systemische Beraterin und Trauerpädagogin.
Für mich steht der Mensch im Vordergrund mit all seinen Facetten.
Für meine Klienten bin ich eine Ansprechpartnerin auf Augenhöhe und unterstütze bei körperlichen, geistigen und seelischen Themen, dabei bestimmen meine Klienten das Tempo.
Nichts muss, alles darf.