Ab wann darf ich wieder lachen?

Von Iris B. Sailer  - Mai 3, 2017

Diese Frage habe ich mir selbst oft nach einem Trauerfall gestellt.

Als mein Vater starb, waren meine Kinder noch klein und man hat eben mit ihnen gelacht.

Aber so richtig in der Öffentlichkeit habe ich mich das lange nicht getraut. Auch nach anderen Trauerfällen nicht.

Als ich mich jedoch mehr und mehr mit dem Thema auseinandergesetzt habe, wurde mir klar, wie wichtig es auch ist zu lachen, zu leben, zu lieben, Mensch zu sein.

Selbst in den dunkelsten Zeiten noch den Mut zu haben zu lachen, das Leben zu feiern, denn ich bin ja nicht tot, war mir lange fremd.

Und oft war mir auch nicht nach lachen zumute, sondern eher nach heulen. Aber wenn dann doch der Impuls hochkam zu lachen, habe ich ihn oft unterdrückt, weil ich es mir nicht gestatten wollte, lustig zu sein, wo es doch eigentlich alles tottraurig ist.

Ich habe festgestellt, dass wir uns in so vielen Dingen in unserem Leben Konventionen unterwerfen, die wir weder gut noch in irgendeiner Weise als sinnvoll erachten. Wir machen es eben so, weil alle es von uns erwarten.

Dabei ist doch eigentlich die richtige Frage: „Was erwarten wir von uns?“

Kann oder darf ich auch in der Trauer lachen und fröhlich sein?

Mittlerweile sage ich ganz klar JA.

Denn wie sollten wir denn in all dem Schmerz einigermaßen gut überleben, wenn wir den Humor, das Lachen aus den Augen verlieren würden?

Auch wenn wir uns von einem Menschen, von dem wir wissen, dass er nicht mehr lange leben wird, verabschieden, können wir gemeinsam mit ihm oder im selben Raum herzhaft lachen.

Als wir unsere Tochter in ihren letzten Tagen bei uns im Wohn-, Esszimmer, Küche in ihrem Pflegebett hatten, bat sie uns zwar, etwas leise zu sein, aber dennoch zu leben. Das war irgendwie ein Schlüsselsatz. Schon auf der Palliativstation sagten die Schwestern immer, bei Ihnen wird aber viel gelacht, da ist Leben im Zimmer.

Ja, genau so muss es sein. Leben trotz des Sterbens. Leben trotz des Abschieds, Leben trotz verlorener Gesundheit oder Arbeitsplatz oder….

Wir haben es ganz bewusst umgesetzt und auch am Tag ihres Todes noch herzlich mit unserem Hausarzt gelacht. Klar flossen immer wieder Tränen, doch genau das lässt uns doch in ein wunderbares Gefühl kommen.

Lange habe ich nicht verstanden, was es heißt, du musst deinen Wunsch, deinen Traum fühlen. Eigentlich ist es ganz einfach, du musst nur leben.

Leben mit all dem, was du schon erlebt hast.

Lachen über komische Dinge oder lachen über das, was du erlebt hast.

Oft kugeln wir uns vor Lachen, wenn wir uns an eine Situation mit unserer Tochter zurückerinnern, die einfach komisch war. Selbst aus der Zeit, als sie im Sterben lag – denn auch diese Zeit ist keine Tabu-Zeit.

Ich finde, das macht Leben - Weiterleben aus, dass man die Emotion des Lachens auch in der Traurigkeit leben darf.

Der deutsche Gebrauchsphilosoph Klaus Klage sagte einmal: „Lachen macht uns lebendiger, sogar das Totlachen“.

Nach dem sogenannten Totlachen fühlen wir uns umso lebendiger. Weil das Lachen ein komplettes sich auflösen bedeutet. Es ist ein Weg, raus aus der Trauer zu gehen. Gedanken stehen still, man nimmt sein Umfeld nicht mehr wahr, die Kontrolle verschwindet und man ist ein einziges großes befreiendes Gelächter. Die Bauchmuskeln fangen an zu zittern, man schnappt nach Luft und hat im wahrsten Sinne des Wortes das Gefühl, sich totzulachen. Nach dem Lachflash stellt sich ein Gefühl der Erschöpfung ein und man fühlt sich irgendwie wie neu geboren.

Natürlich gibt es auch Situationen, in denen Lachen nicht wirklich angebracht ist, aber sich generell das Lachen, die Freude am Leben in der Trauer zu verbieten, halte ich für den falschen Ansatz.

Seit sich mein Erleben mit Lachen und der Trauer verändert hat, kann ich anders, vielleicht besser damit umgehen.

Fazit: Lachen geht immer!

Es sollte immer gehen und auch immer Raum in unserem Leben haben dürfen.

Mittlerweile bin ich als Lachyogaleiterin ausgebildet und gebe Seminare für Trauernde: „Lachen trotz und alledem“. Denn ich kenne von vielen Trauernden den Satz: „Ich kann gar nicht mehr lachen“.

Genau darum geht es, wenn man nicht mehr lachen kann – dann kann man es künstlich durch Lachyoga erzeugen und zum Schluss lachen dann alle wie befreit. Klar gibt es in dem Seminar noch andere Elemente als das Lachen, jedoch merke ich, dass es ein Weg ist, wieder am Leben teilzuhaben.

Lachen nimmt den Druck aus unserem Körper, wenn wir lachen, versorgen wir den Körper mit unendlich viel Sauerstoff und sprechen ganz viele Muskeln in unserem Körper an.

Ab wann darf ich wieder lachen? Genau ab jetzt!

Iris Sailer